Bild und Wort 3 Reflektionen

Mittwoch, 15. April 2009

Photo: Orit Chazara




Reflektionen 

Einige Tage vor Deiner Geburt sitze ich am Strand und denke an Dich. Die Sonne glitzert über das Meer und der groβe Stein auf dem ich meinen Pullover ausgebreitet habe ist warm und weich poliert – die Arbeit der groβen See. Ich schaue auf den Horizont – da drüben liegt Amerika. So weit weg von hier und doch kein Land auf dem Weg. In der Ferne glitzert etwas – ich kneife die Augen zusammen, um besser sehen zu können, aber kann es nicht erkennen. Du bist wohl am Schlafen. Nichts regt sich in meinem groβen Bauch – Deinem Zuhause. Bald sollst Du es verlassen. Wie Du das wohl finden wirst? Ob Du schon lächelst wenn Du mich siehst? Ach, eigentlich ist es ja ganz schön so: Du da drinnen wohl behütet und ich hier in der Sonne, ein bischen schwerfällig, aber praktisch ist es doch. Noch brauche ich gar nichts für Dich mitzubringen und Essen hast Du da auch gut, und mit einem Kinderwagen könnte ich gar nicht bis zu diesem wunderbaren Stein kommen, also würdest Du den schönen Blick sowieso nicht zu sehen bekommen. Ich lege mich zurück und schlieβe die Augen. Da rührt sich etwas. Ein kleiner Fuβ trampelt gegen meine Rippen. Nun bist Du also wach. Der andere Fuβ trampelt nun auch mit und Deine Hände tun wieder so als wollten sie mich kitzeln unter dem Bauchnabel. Was hast Du es gut da drinnen: schlafen, kitzeln, trampeln, essen, wohl möglich beim Schlafen. Noch einmal so klein sein, das wäre es doch. Noch einmal ganz von vorne anfangen. Ob andere Menschen sich auch so weit zurückwünschen? Das hatte ich noch nie gehört. Die meisten wollen wieder Kind sein, frei und ohne Verpflichtungen – aber so, völlig geborgen, zurück zum Ursprung? Ja, Du willst wohl mal von Dir hören lassen, mit Deinem Gezappel in meinem Bauch. Ich setze mich wieder auf. Ein kleines Boot nähert sich langsam. Das war es wohl, was ich vorhin nicht erkennen konnte. Alles ist so friedvoll hier. Ich glaube wenn ich hier sitzen könnte und Du Dich entscheiden würdest auf diese hier so wunderschöne Welt zu kommen, dann täte es gar nicht weh. Bestimmt würdest Du einfach so kommen, ja, ein bischen Schmerz wäre da bestimmt schon, aber der wäre ja erträglich, an solch einer schönen Stelle. Sollte ich wohl einfach hier sitzen bleiben? Dann kommst Du vielleicht. Ich könnte mit Dir sprechen und Dir erklären, daβ es eine gute Idee ist, genau jetzt zu kommen, damit Du noch ein bischen vom Sonnenschein auf dem warmen Stein hier genieβen kannst. Ob Du wohl kommen würdest? Es ist wieder ruhig geworden und ich mache es mir noch einmal bequem. So schlafen wir beide für eine Weile. Als ich erwache ist das Meer fast rot, noch ist der Himmel hell, aber bald wird er ganz dunkel sein, wenn die Sonne in der See verschwindet. Ich stehe mühsam auf und schaue nocheinmal zum Horizont. In diesem Moment sehe ich es, ja genau jetzt, als die Sonne ins Meer plumpst: ein klitzekleines grünes Leuchten am Horizont. Ich blinke und schaue nocheinmal, aber es ist schon weg. Du trampelst glücklich in meinem Bauch – ob Du es wohl weiβt? 

Anna Blume, 15.April 2009

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